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PHILIPPINEN: Von Bauern, Banknoten und Teebeuteln

Was haben alltägliche Dinge wie Teebeutel, Kaffeefilter und Banknoten gemeinsam? Nun, sie werden aus Spezialpapier gemacht, das aus dem Rohstoff Abacafaser produziert wird. Abaca ist eine Pflanze, die nur auf den Philippinen wächst und aus deren Stamm lange, haarartige Fasern gewonnen werden. Die Philippinen beliefern damit nahezu allein den Weltmarkt – ein Top-Exportartikel also. Das Fatale ist nur: Die Produzenten, die philippinischen Bauern, verdienen bisher nur sehr wenig daran. Hier kommt mein Freund Matthias ins Spiel, den wir mit seiner Familie in Manila besucht haben. Nach seinem Master in Kulturgeographie hat er sich entschlossen, für die deutsche Entwicklungsarbeit tätig zu werden. Für drei Jahre betreut er auf den Philippinen mehrere Projekte. Was also lag näher, als ihm dazu ein paar Fragen zu stellen?

Matthias, worum geht es bei deinen Projekten? Was sind die Ziele?

Ziel ist es, die Einkommensgrundlage von Kleinbauern zu verbessern und die Produktion von Agrarprodukten (wie Abaca, Kokosöl oder Reis) nachhaltig zu gestalten. Der Großteil der philippinischen Kleinbauern besitzt nur kleine Parzellen von wenigen Hektar Land, wirtschaftet meist sehr extensiv und erreicht oftmals nicht einmal die Hälfte der möglichen Erträge. Verglichen mit Kleinbauern in Vietnam oder Thailand geht es den philippinischen Bauern schlechter, und viele von ihnen leben unterhalb der Armutsgrenze.

 

Matthias bei einem Abaca-Projekt vor Ort:

Kannst du uns das mal am Beispiel des Abaca-Projekts näher erläutern?

Durch Schulungen von Kleinbauern und deren Organisationen zeigt ihnen das Projekt Wege auf, wie sie auf ihren Feldern eine höhere Produktivität erzielen können. Durch höhere Erträge können sie ein langfristig höheres Einkommen erwirtschaften. Zudem geht es stark um das Thema Nachhaltigkeit. So führt das Projekt in den Berggebieten der Abaca-Bauern Trainings durch, die für einen Anbau werben, der im Einklang mit dem ökologischen Gleichgewicht steht. Konkret heißt das zum Beispiel, dass eine Verschmutzung von Gewässern vermieden wird, seltene Tiere und Pflanzenarten geschützt werden oder auf Mülltrennung geachtet wird. Zudem sollen soziale Mindeststandards eingehalten werden, was am Beispiel Kinderarbeit natürlich besonders brisant ist. Interessierte Bauern können zudem eine Nachhaltigkeits-Zertifizierung erlangen, für die weiterverarbeitende Firmen dann höhere Abnahmepreise zahlen. So macht sich der Einsatz für Nachhaltigkeit für die Bauern auch finanziell bezahlt.

 

Abaca-Bauern bei der Ernte und bei einer Schulung:

Was genau sind dabei deine Aufgaben?

Nun, ich steuere die Projekte, vor allem deren konkrete Umsetzung vor Ort. Ich bin also viel unterwegs, um in den Dörfern und Regionen den Projektfortschritt zu beobachten und die Akteure beratend zu unterstützen. Zudem koordiniere ich die Zusammenarbeit mit den Partnern. Beim Abaca-Projekt sind das auf philippinischer Seite die Gemeinden und Bürgermeister vor Ort, und – als staatliche Stellen – das Agrarministerium und die Philippine Fiber Industry Development Authority. Hinzu kommen Partner aus dem privatwirtschaftlichen Sektor, also Firmen, die Abacafaser als Rohmaterial verwenden.

Meine weiteren Aufgaben sind Personalführung und Steuerung des Budgets, aber natürlich auch das Monitoring – die laufende Beobachtung und Kontrolle – und die Evaluierung des Projekts. Bei einem Team von elf Mitarbeitern und drei Projektbüros an unterschiedlichen Standorten kommt da schon einiges an Aufgaben zusammen.

Ich kann mir vorstellen, dass das alles nicht ganz einfach ist in einem weit entfernten Land bzw. Kulturkreis. Wo liegen die Schwierigkeiten – generell und vor Ort?

Generell ist das Arbeiten in einem anderen Kulturkreis deutlich anders. Man muss sich an andere Geschwindigkeiten und Kommunikationsstile anpassen, z.B. Kritik häufig nur indirekt und „Gesicht-wahrend“ kommunizieren. Das kann man jedoch gut lernen. Auf Projektebene sind die Herausforderungen oftmals ganz anderer Natur. Zum Beispiel darf man bei philippinischen Bauern im abgelegenen Hinterland nicht davon ausgehen, dass sie betriebswirtschaftlich denken. Das führt dazu, dass der Anbau bisher meist sehr unproduktiv erfolgte: Der Kleinbauer geht in den Wald, erntet irgendwo etwas Abaca, wo sie gerade wächst, und kümmert sich eher weniger darum, wie nachhaltig das ist, oder wie viel Ertrag das für seine Familie bringt. Dies versuchen wir, mit unserem Projekt zu ändern.

Ein weiterer Punkt, über den du schon geschrieben hast, ist ebenfalls eine Herausforderung: Die Landreform kommt nicht voran. So machen es teilweise ungeklärte Landrechte den Bauern schwer, langfristig Sicherheit und Perspektiven zu haben und dann z.B.  in „ihr Land“ zu investieren und so statt einer „Sammelwirtschaft“ eine nachhaltige, Grundbedürfnis-sichernde „Landwirtschaft“ zu entwickeln. Ein weiteres Investitionshemmnis liegt darin, dass die Bauern oft verschuldet und damit natürlich auch nicht kreditwürdig sind. Zusätzlich haben wir das Problem der Transportkosten: Der Rohstoff Abaca wird in sehr abgelegenen Gebieten gewonnen, die oftmals nur zu Fuß bzw. schwer erreichbar sind. Damit aber steigen die Transportkosten, was wiederum das Einkommen für die Bauern schmälert.

Für mich ist die Schlüsselfrage, wie sich denn eure Entwicklungszusammenarbeit konkret auf die Lage der Bauern auswirkt. Sind schon messbare Ergebnisse zu verzeichnen?

Das Abaca-Projekt hat beachtliche Erfolge erzielt. So berichten beteiligte Bauern, dass das Projekt ihnen zu deutlich mehr Einkommen verholfen hat. Bauerngruppen sprechen von erhöhten Einnahmen um bis zu 150 Prozent. Zudem haben einzelne Bauerngruppen eine Zertifizierung ihrer Farmen durch „Rainforest Alliance“ erhalten. Dies ermöglicht es ihnen, ihre Abacafasern nun auch an internationale Käufer zu verkaufen, und das zu einem höheren Preis.

 

Eine ganz besondere Pflanze: Abaca

Du bist jetzt ein Jahr auf den Philippinen. Was ist bislang dein persönliches Zwischenfazit? Lohnt sich Entwicklungsarbeit?

Persönlich ist dies eine höchst spannende und lehrreiche Zeit für mich. Sie trägt dazu bei, den eigenen Horizont zu weiten, neue Perspektiven auf die Welt, aber auch auf die Heimat zu gewinnen. Zudem bekommt man Einblicke in einen interessanten Kulturkreis. Vor allem aber kann man selbst etwas zu einer positiven Entwicklung beitragen und konkret etwas für Benachteiligte tun. Das ist zwar sehr fordernd, aber es ist eine sehr erfüllende Arbeit, insbesondere, weil man häufig viel positives Feedback und Dankbarkeit entgegen gebracht bekommt.

Mein Fazit aus der Entwicklungsperspektive: Solche Projekte können sehr positive Beiträge im Land leisten, wenn gewisse Grundbedingungen erfüllt sind und handfester Mehrwert auf allen Seiten geschaffen wird. In unserem Fall haben Kleinbauern ein höheres Einkommen durch Anpassung ihrer Anbaumethoden und private Firmen haben eine bessere Versorgung mit nachhaltig produzierten und raren Naturfasern. Und finanziell knapp ausgestattete staatliche Behörden erhalten Trainings für ihre Mitarbeiter und Schulungsmaterialien, die sie nun landesweit einsetzen können und die sie sonst nicht finanzieren könnten. So profitieren alle Beteiligten und das weit über die Projektregionen hinaus.

An diesem Beispiel sieht man, dass sich Entwicklungszusammenarbeit wirklich lohnt, wenn sie durchdacht ist, mit nationalen Partnern abgestimmt wird und klare Vorteile für alle Beteiligten hervorbringt. Nicht umsonst bekommen wir hier sehr positive Resonanz von den Menschen. Natürlich können wir nicht meinen, alle Probleme nur durch Entwicklungsarbeit lösen zu können – das wäre auch vermessen. Jedoch können wir positive und nachhaltige Entwicklungen in Gang setzen und beschleunigen, die hier ohne Unterstützung von außen nicht entstanden wären.

Ich finde, das macht Mut. Vielen Dank für das interessante Gespräch, Matthias!

 

Bildnachweis: Die Fotos aus dem Abaca-Projekt hat uns Matthias zur Verfügung gestellt.

 

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Wolfgang Eckart reiste 19 Monate mit seiner Frau um die Welt. Inzwischen lebt er wieder in Süddeutschland und ist nach wie vor gerne als aufmerksamer Entdecker unterwegs.

5 Kommentare

  • Thomas

    Sehr interessant, Wolfgang, auch wenn mich bei Projekten wie solchen immer das Gefühl beschleicht: Schöne Aktivität für unser Gewissen, was aber in der Breite kaum ins Gewicht fällt – wie bei Kaffeebohnen, Reis etc…Weiterhin gute Reise, Thomas

    • Wolfgang Eckart

      Hallo Thomas, danke für dein Feedback und die guten Wünsche! Auch wenn ich deine Gefühle respektiere – noch dazu so kurz vor Weihnachten 😉 – so erlaube ich mir doch, dir zu widersprechen. Das Interview wollte ja gerade deutlich machen, dass dieses Projekt für die Bauern vor Ort konkrete und dauerhafte Verbesserungen bringt und durchaus ein Modell für den Rest des Landes sein soll. Insofern finde ich es schade, wenn es als „schöne Aktivität für unser Gewissen“ abgetan wird, wenn Leute wie Matthias für drei Jahre so einen tollen Job machen. Dass er damit die Welt retten kann, hat er übrigens auch nicht behauptet….Nix für ungut, schöne Feiertage und ein besseres 2017, Wolfgang

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