AUFMERKSAM REISEN
Afrika

SENEGAL: Unterwegs „im Auftrag des Herrn“

Seit deutlich mehr Flüchtlinge nach Europa kommen, ist Afrika bei uns verstärkt ins Blickfeld gerückt. Meist geht es dabei um die gravierenden Probleme, die dieser Kontinent noch immer hat, seltener um die positiven Entwicklungen und Chancen. Eine faire Entwicklungspolitik soll helfen, die Fluchtursachen zu bekämpfen, darüber sind sich (fast) alle einig. „Schluss mit unserem Kolonialismus!“ fordert daher Gerd Müller, CSU-Mitglied (!) und derzeit Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Andere Stimmen hingegen warnen, dass sich Afrika selbst helfen müsse. Der Anspruch, dass die armen Länder Afrikas mit Entwicklungsgeld zu retten seien, sei viel zu ambitioniert.

Sich dazu eine eigene Meinung zu bilden, ist gar nicht so einfach. Auch auf unserer Weltreise waren wir ja vielfach mit diesen Fragen konfrontiert gewesen. Da traf es sich gut, dass die Akademie Caritas Pirckheimer Haus in Nürnberg (CPH) im Januar 2018 eine Reise in das westafrikanische Land Senegal organisierte. Anlass war die alljährliche Feier der Partnerschaft zwischen der Diözese Thiès und dem Erzbistum Bamberg.  Mit Siegfried Grillmeyer, dem Direktor des CPH, hatten wir denn auch einen sehr engagierten Delegationsleiter. So organisierte er auch medizinisches Material und Schreibmaterialen zum Mitnehmen. Die Reisegruppe selbst war durchaus heterogen: Neben Siegfried und seinem Sohn Leonhard noch der Verwaltungsleiter CPH („Bruder Klaus“), dazu Mitglieder des Lions-Clubs Nürnberg-Franken. Und ich: weder – noch. Nur recht kirchenfern…

Vom Schneesturm in den Senegal: In Nürnberg ging es mit Verzögerung los, in Paris wurde das Flugzeug erst repariert – dann endlich Ankunft im Maison Dupretre, Thiès

Einblicke in die Bistumspartnerschaft

Bei unserer „Senegalexpedition“ sollte es darum gehen, sich die konkreten Projekte, die im Rahmen dieser Partnerschaft entstanden sind, anzuschauen, die beteiligten Menschen (insbesondere die auf senegalesischer Seite) kennen zu lernen und so ein wenig mehr von der afrikanischen Lebenswirklichkeit zu erfahren – und darüber zu berichten. Ob auch ein Blick hinter die Kulissen möglich sein würde? Auf jeden Fall würde diese Reise eine gute Möglichkeit sein, unsere (Vor)Urteile über Afrika auf den Prüfstand zu stellen.

Der Zugang zur afrikanischen Realität durch die Institution katholische Kirche und ihre Weltsicht war für mich recht gewöhnungsbedürftig. Als „katholisch erzogener Agnostiker“ habe ich keinerlei Talent, diese „Sichtweise aus dem Glauben heraus“ zu teilen. Was mich letztlich aber interessiert, ist die Frage, wie im Kleinen eine gelingende Zusammenarbeit in konkreter Form aussehen kann. Oder anders gesagt: Auf der Suche nach Großem im Kleinen fündig werden. Dahinter steht letztlich aber auch die Frage, ob sich kleinteilige Entwicklungsarbeit überhaupt „lohnt“ oder doch nur den Effekt hat, das eigene Gewissen zu beruhigen. Oder, wie in diesem Fall, vorrangig der Missionsarbeit dient.

Katholisch und farbenfroh: kirchliches Leben im Senegal.

Ein dichtes Besuchsprogramm

Für nur eine Woche Aufenthalt war das Programm sehr ambitioniert: Zahlreiche Begegnungen und Gespräche mit den Akteuren vor Ort, also Vertretern der Diözese Thiès, insbesondere mit Bischof André Gueye, aber auch des Erzbistums Bamberg mit Weihbischof Gössl und einigen Mitarbeitern. Dazu etliche Besichtigungen kirchlich getragener Bildungs- und Sozialprojekte in Thiès und auf dem Land, Besuch von Klöstern und einer großen Moschee in Touba im Landesinneren. Kirchlicher Höhepunkt war ein großer Festgottesdienst in der Kirche von Bambey aus Anlass des elfjährigen Bestehens der Partnerschaft. Ein Highlight war für mich der Empfang beim deutschen Botschafter in Dakar. Dazu gleich mehr.

Zu Besuch: beim großen Schulfest, in einer Grundschule – und in der klösterlichen Hostienbäckerei.

Ergänzt wurde das Besuchsprogramm durch touristische Ziele wie den Besuch der Insel Gorée mit einem historischen Gebäude, in dem Westafrikaner, die als Sklaven nach Amerika verschleppt wurden, zusammengetrieben wurden. Heute ist das Haus ein Erinnerungsort für den Sklavenhandel, die Insel selbst ist seit 1978 UNESCO Weltkulturerbe. Allerdings vermittelt sich dem Besucher kaum die besondere Tragik des Ortes, eher wirken Gebäude und Insel heute heiter, ja fast mediterran…

Tragischer und idyllischer Ort: Die Insel Gorée.

Der Senegal, eine stabile Demokratie

Im scharfen Kontrast dazu steht das Festland. Die Hauptstadt Dakar ist zwar eine pulsierende westafrikanische Metropole, doch gleich dahinter breitet sich ein staubiges, armes Land aus. Das Klima im Norden ist – bis auf die Regenzeit im Sommer – heiß und trocken, entsprechend herrscht Savanne vor, Landwirtschaft ist daher mühsam. Amtssprache ist seit der Kolonialzeit Französisch, die Staatsform Republik. Erfreulicherweise gehört der Senegal, der erst 1960 politisch unabhängig wurde, zu den stabilen Demokratien Afrikas. Zu den positiven Entwicklungen gehört auch das friedliche Zusammenleben der unterschiedlichen Ethnien und Religionen. Senegal ist ein islamisch dominiertes Land (90%), das Christentum nur sehr gering verbreitet (ca. 5%), doch das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen ist von gegenseitigem Respekt geprägt.

Stabile Demokratie, aber ärmliche Lebensverhältnisse: Alltagsszenen 

Ein smarter Botschafter

Interessante Hintergrundinformationen bekamen wir beim Besuch der Deutschen Botschaft in Dakar. Botschafter Stephan Röken sprach beispielsweise die rasche Bevölkerungsentwicklung im Senegal als fundamentales Problem an. So wuchs die Bevölkerung zwischen 1960 und 2017 von 3 auf 16 Millionen an, davon sind aktuell 60% unter 20 Jahre alt. Migration ist deshalb ein großes Thema, sowohl innerhalb des Senegal (in die Städte) als auch nach Europa und in die USA. Bevorzugtes Ziel der Auswanderung ist Frankreich, wo bereits Hunderttausende Senegalesen leben. Nach Deutschland kommen hingegen nur wenige: circa 1.500 Senegalesen leben zurzeit in Deutschland, einige davon sind übrigens in der zentralen Asylbewerber-Aufnahmeeinrichtung Oberfranken in Bamberg untergebracht.

Im Gespräch: Runde mit dem Botschafter Stephan Röken und Siegfried Grillmeyer in harter Missionsarbeit mit dem Autor

 

Das Problem der Migration

Da der Senegal als sicheres Herkunftsland gilt, haben Asylbewerber praktisch keine Chance auf Anerkennung. Interessanterweise wies Botschafter Röken darauf hin, dass es häufig einen erheblichen Druck seitens der Familien im Senegal gebe, einen der ihren zur Auswanderung nach Europa zu drängen, stellen die dann zu erwarteten Überweisungen doch eine erhebliche Einnahmequelle dar. Werden die jungen Senegalesen dann zurückgeschickt, bedeute das für sie und ihre Familien, dass sie versagt hätten. Allerdings erweise sich die Rückführung als schwierig, weil der Staat sie nicht wiederhaben wolle. Um einer Flucht nach Deutschland schon im Mutterland vorzubeugen, wurde just in der Woche, in der wir dort waren, von deutscher Seite ein Migrationszentrum in Dakar eingerichtet. Dort sollen potenzielle Auswanderer über die Risiken illegaler Migration informiert und Rückkehrern finanzielle Hilfe geleistet werden. Auch investiert Deutschland im Senegal zusätzliche 5,6 Millionen Euro in Projekte, die gezielt Rückkehrern helfen und Arbeitsmöglichkeiten für junge Senegalesen schaffen sollen. Das klingt sehr sinnvoll.

Kirchliche Projekte als Lerngemeinschaft

Auch unsere Gastgeber von der Diözese Thiés kümmern sich darum, jungen Senegalesen eine Perspektive zu geben und Familien vor Ort praktisch zu unterstützen: Letztere durch landwirtschaftliche Projekte und sogenannte Mikrokredite, vornehmlich an Frauen. Erstere durch gute schulische Angebote wie im College St. Gabriel mit 2.300 Schülerinnen und Schülern – von denen übrigens etwa die Hälfte muslimisch ist! Im Gegensatz zu den öffentlichen Schulen, die heillos unterfinanziert sind, gibt es dort hohe Abschlussquoten. Der Staat zahlt zwar nur sehr geringe Zuschüsse, das Schulgeld ist dementsprechend teuer, aber durch Schülerpatenschaften – derzeit um die 900, wiederum aus Oberfranken (!) – können doch auch viele Kinder und Jugendliche aus armen Familien an guter Bildung teilhaben. Das verdient Respekt! Wenn ihr das unterstützten wollt, hier der Link zur Aktion Schulgeld. Das große, lebendige Schulfest, an dem wir als Gäste teilnahmen, war für mich denn auch einer der Höhepunkte der Reise. Begrüßt wurden wir übrigens durch den Schülersprecher – auf Deutsch. So überraschte es dann auch kaum, dass es dort einen „Deutschclub“ gibt.

Oberfrankenpower

Dass auch unsere Gastgeber in Thiés, Bischof Guèye und alle Abbés (Pfarrer), sehr gut Deutsch sprechen, verwundert ebenfalls nicht, da sie als Urlaubsvertretungen lange Jahre in oberfränkischen Pfarreien tätig waren oder noch sind. Sympathisch auch, dass es auf der Ebene der „katholischen Landvolkbewegung“ (ich wusste gar nicht, dass es so etwas noch gibt) zahlreiche Besuche und Begegnungen zwischen Menschen aus Oberfranken und Thiés gibt. Wohl deshalb trafen wir dort auch drei junge Oberfränkinnen, die in Thiés ihr freiwilliges soziales Jahr im kirchlichen Kontext machen, unter ihnen Nena Sünkel aus Burgkundstadt – der berühmten Heimatstadt Elkes.

Mein Resümee

Mein persönliches Fazit zu unserer kurzen Senegalreise: Wir trafen im Land auf sehr freundliche, hilfsbereite und unkomplizierte Gastgeber, die uns Einblick gaben in ihre engagierte kirchliche Arbeit und – dies allerdings weit weniger – in den Alltag der Menschen dort. Manche Projekte, die wir besuchen durften, waren vorbildlich, andere warfen schon Fragen nach dem Sinn und Zweck auf – und nach der Nachhaltigkeit solcher Entwicklungsvorhaben. Bei einigen Stationen unseres Besuchsprogramms hätten wir gerne mehr erfahren, bekamen aber nur zögerliche Auskünfte. Allerdings waren wir auch zu kurz dort, um wirklich „hinter die Kulissen“ schauen zu können. Und, wie ein Teilnehmer meinte, wir haben’s sehr katholisch gesehen. Na klar, schließlich waren wir ja „im Auftrag des Herrn unterwegs.“ Alles in allem war diese Reise ein intensives Erlebnis, voller nachwirkender Bilder und Eindrücke. Ich bin gespannt, was wir Teilnehmenden daraus machen und wie es nun weitergeht. Die Wege des Herrn sind bekanntlich ja unergründlich…

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Wolfgang Eckart reiste 19 Monate mit seiner Frau um die Welt. Inzwischen lebt er wieder in Süddeutschland und ist nach wie vor gerne als aufmerksamer Entdecker unterwegs.

2 Kommentare

  • Ulla

    gute Idee – bisher habe ich an eine große Organisation (viel mehr) für Schulbesuche gespendet und war mir nie ganz sicher, dazu haben die Mädchen abgebrochen – hier ist das ganze viel direkter…

Wir freuen uns über Eure Kommentare!

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