
ARGENTINIEN: Kunst ist politisch
Ob an der Straßenecke oder im Museum: Kunst in Buenos Aires ist ziemlich oft ziemlich politisch. Bei Streetart überrascht mich das wenig, bei Museumskunst dagegen schon – zumal in Argentinien die meisten Museen privat finanziert sind. Doch auch hier werden Werke gezeigt, die Bezug nehmen auf die Zeit der Militärdiktatur in Argentinien von 1976 bis 1983. Damals regierte eine Militärjunta das Land, verfolgte, inhaftierte und folterte gnadenlos Gewerkschafter, Intellektuelle, Studenten, Journalisten und Gegner des Regimes. Mehr als 30.000 Menschen „verschwanden“ für immer. Die Aufarbeitung der Verbrechen dauert bis heute an. Hinzu kommen neue Brennpunkte wie etwa die Inhaftierung von Milagro Sala (Bild oben), Gründerin und Leiterin der sozialen Bewegung Tupac Amaru, deren Freilassung in politischen Wandgemälden gefordert wird und übrigens ganz aktuell auch in einer „urgentaction“ von amnesty international.

Klare Statements im Museum MALBA
Auch im Museum MALBA, die Abkürzung steht für Museo de Arte Latinoamericana de Buenos Aires, sehen wir viele Werke mit klaren politischen Statements: Plakate, die für eine Revolution der Landbevölkerung werben; das Bild „Manifestación“ von Antonio Berni, auf dem eine Demonstration für Brot und Arbeit zu sehen ist, oder ein Selbstportrait der revolutionären mexikanischen Malerin Frida Kahlo, die auch in Europa als Ikone des Feminismus gilt. Sie alle sind Teil der aktuellen Ausstellung „Verboamérica“, die eine Geschichte Lateinamerikas zeigen will „in actions and experiences, a postcolonial history that does not understand Latin American art in the terms proposed by European art“.



Die Ausstellung wird zum 15jährigen Bestehen des Museums gezeigt, dessen Bau übrigens möglich wurde durch den Immobilienhändler Eduardo Costantini. Der Geschäftsmann sammelt seit den 1970er Jahren Kunst, gründete seine eigene Stiftung, kaufte das Grundstück, schrieb einen Architektenwettbewerb aus, und zeigt nun im Museum rund 200 Werke aus seiner Sammlung der Öffentlichkeit .

Sonderausstellung für einen Aktivisten
Staatlich ist dagegen das Museo Nacional de Bellas Artes mit einer Sammlung von rund 11.000 Werken. Ein Großteil davon stammt jedoch auch hier aus Sammlungen reicher argentinischer Familien und spiegelt deren Geschmack wider. Mein Gusto waren die gezeigten Werke nicht wirklich, aber dafür habe ich in der Sonderausstellung „Xul Solar. Panactivista“ spannende Werke eines für mich völlig neuen Künstlers kennengelernt.
Xul Solar wurde 1887 in der Provinz Buenos Aires geboren und reiste von 1912 bis 1924 durch Europa, wo er viele Künstler der europäischen Avantgarde kennenlernte. Zurück in Argentinien wurde er zum Vorreiter des Surrealismus in seinem Land und gilt heute als einer der wichtigsten Künstler Lateinamerikas. Seine Werke sind exzentrisch, futuristisch, und bisweilen auch ziemlich crazy – denn er interessierte sich auch für Esoterik und Astrologie – und ließ all das in seine Werke einfließen. Radikal politisch ist sein Werk sicher nicht, aber voller Utopien für eine bessere Welt.



Klare politische Forderungen an der Straßenecke
Weniger surreal geht es dagegen in der politischen Straßenkunst zu. Aktuell sehen wir viele Wandgemälde, die sich für die Freilassung der Aktivistin Milagros Sala einsetzen oder die Massendemonstrationen der argentinischen Lehrkräfte für eine bessere Bezahlung und gegen die Privatisierung im Bildungsbereich unterstützen. Und natürlich ist auch in der Streetart Frida Kahlo übergroß präsent – auch wenn das wohl nicht immer politisch motiviert ist.



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