
INDIEN: Delhi im Monsun
Vielleicht ist es ja der monsunregengraue Morgen, mit dem uns der Tag heute in Delhi begrüßt hat. Vielleicht sind es aber auch die vielen schlechten Nachrichten aus der Welt, aus Europa und mittlerweile auch aus der Heimat, die die Stimmung trüben. Auf jeden Fall holen uns die Ereignisse der letzten Tage und Woche auch hier in Indien ein und lassen uns nicht los.
Kashish, die junge, sehr vitale Gastgeberin unseres Apartments im Distrikt „Greater Kailash“ in Süd-Delhi, fragte gestern Abend schon nach, wie es uns denn so gehe angesichts der Nachrichten aus Deutschland. Sie ist selbst Journalistin, hat aber ihren TV-Job gekündigt, um ein Social-Media Startup-Unternehmen zu gründen. Um dafür Geld einzusammeln, ist sie heute für mehrere Tage nach Bombay geflogen. Freunde aus Deutschland schreiben uns, dass sich das Land durch die Anschläge verändern werde. Dass es jetzt schon spürbar mehr Verunsicherung, ja Angst gebe.
Wird Reisen gefährlicher?
Das ist insofern seltsam für uns, als wir vor unserer Abreise häufig mit der Frage konfrontiert wurden, ob wir denn bei einer so großen Reise keine Angst hätten. Es könne da ja viel passieren. Ja, es kann unterwegs viel passieren, zweifellos. Aber der Blick auf die Ereignisse zuhause macht uns eben klar, dass es diese Unterscheidung „sichere Heimat“ versus „gefährliche Welt“ da draußen so nicht mehr gibt. Für uns alle wohl eine bittere Einsicht: In einer globalisierten Welt kommt uns sehr sicherheitsliebenden Deutschen der Wahnsinn des Terrors nun unmittelbar nahe. Da Sicherheit und Freiheit aufs Engste zusammenhängen, steht zu befürchten, dass das Land unfreier werden wird, zumal der reflexartige Ruf nach schärferen Gesetzen auch jetzt wieder laut ertönt.
Der Preis sozialer Ungleichheit
Vermutlich werden wir uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass nicht alles gesetzlich regelbar ist, was gesellschaftlich wünschbar wäre. Schon in Südafrika wurde uns eindringlich vor Augen geführt, wie privilegiert wir in puncto Sicherheit zuhause leben. Dort und noch mehr in Madagaskar wurde aber auch deutlich, wie hoch der Preis ist, den eine Gesellschaft zahlen muss, wenn die Schere zwischen Arm und Reich schon sehr groß ist und immer weiter aufgeht. Wachsende soziale Ungleichheit nahezu überall, wo wir bisher waren! Nun also Indien. Schon das krasse Verkehrschaos auf dem Weg vom Flughafen zu unserem Domizil, dann die Erfahrung, dass wir dort in einer „gated community“ wohnen. Um dorthin zu gelangen, muss man – mehr oder weniger – bewachte Tore passieren. Hier wohnt übrigens keineswegs die Ober-, sondern allenfalls die Mittelschicht. Einen Supermarkt sucht man in diesem Quartier allerdings vergeblich: Die kleinen „Läden“, in denen wir uns gestern noch notdürftig versorgt haben, liegen allesamt in einem reichlich vergammelten Gebäude.
Das Quartier entdecken
Was uns hier in Delhi bisher gut gefällt: Dadurch, dass wir für zwei Wochen eine Wohnung mit eigener Küche haben, die mitten in einem ganz normalen Quartier liegt, lernen wir rasch Alltägliches kennen. So den Einkauf beim fahrenden Obstverkäufer am Morgen, die aufwändigen Besorgungen von Lebensmitteln, die abenteuerlichen Fahrten mit den Motorrad-Rikschas und – natürlich! – das vortreffliche vegetarische Essen. Es scheint, dass wir in Indien angekommen sind!
Hier der Blick aus unserem Quartier – und ein paar weitere Eindrücke unserer ersten zwei Tage. Bitte einfach auf ein Bild klicken, dann wird es größer.
Gerade eben lese ich, dass laut einer aktuellen Umfrage eine deutliche Mehrheit der Deutschen gegen Panikmache ist und gelassen bleiben will. Gut so! Und wir drücken natürlich den Besucherinnen und Besuchern des an diesem Wochenende stattfindenden Bardentreffens sämtliche Daumen, dass es ein friedliches und fröhliches Musikereignis wird. Das Wetter passt ja – kein Monsun in Nürnberg.
5 Kommentare
Pingback:
Dagmar
Jetzt habe ich mir endlich mal Zeit genommen, euren Blog ausführlich zu lesen. Beeindruckend, was ihr in der vermeintlich kurzen Zeit schon alles erlebt habt! Weiterhin viele tolle Eindrücke und Erlebnisse und herzliche Grüße aus einem heute zwar nicht vom Monsun betroffenen, aber doch sehr nassen Nürnberg nach Delhi.
Die Crew
Liebe Dagmar, wie schön, dass Du Dich meldest! Ja, wir haben wirklich schon viel erlebt – manchmal komme ich gar nicht hinterher, das alles zu verarbeiten und auf mich wirken zu lassen. War jetzt auch ein paar Tage krank, denn Indien ist ein echter Kulturschock… Herzliche Grüße
Benjamin Z.
Das Bardentreffen war wirklich mal wieder sehr schön. Aber das nur nebenbei. Ich wollte mich zwischendurch mal kurz bedanken für die sehr schönen Bilder und die Reiseberichte! Es macht Freude, auf diese Weise ein wenig an der Reise und euren Eindrücken teilhaben zu können…
Die Crew
Hallo Benjamin! Das ist ja schön, von Dir zu hören. Freut uns, dass Du unseren Blog gerne liest. Herzliche Grüße in die Heimat und in die Hochschule…