
SCHWEIZ: Der Berg, die Hütte und das kleine Glück
Darf man in Kriegs- und Krisenzeiten über so harmlose Unternehmungen wie eine Bergtour schreiben? Ich meine ja, sonst würden wir Empörung, Angst oder gar Resignation über unser Leben bestimmen lassen. Zudem zeigt uns die Natur in den Bergen besonders klar, dass sie mächtiger und beständiger ist als wir und wir ihr mit Respekt begegnen müssen – auch und gerade im Hinblick auf den Klimawandel, der ja in den Alpen nicht erst jetzt dramatische Auswirkungen hat. Oben, wo sie noch wild oder kaum erschlossen ist, fühle ich mich der Natur viel näher und stärker verbunden als unten im Tal – oder gar in der Stadt. Außerdem begegnen wir in den Bergen immer wieder aufgeschlossenen, sympathischen Menschen – wie in dieser Geschichte.
Ein markanter Berg
Diesen besonderen Berg hatte ich schon lange im Blick. Auf der Fahrt vom Bodensee durchs obere Rheintal Richtung Süden zeigt er sich kurz, aber markant: der Alvier. Kein prominenter Berg, aber oben steil aufragend und als kleines Bergmassiv eigenständig.

Aufstieg von Palfries
Seine Lage macht ihn so besonders: zwischen dem breiten Rheintal im Westen und dem fjordartigen Walensee im Osten gelegen, im Kanton St. Gallen in der Schweiz. Auf der gegenüberliegenden Rheintalseite liegt das Fürstentum Liechtenstein, ein seltsam aus der Zeit gefallener Kleinstaat: Fürst und Volk sind gleichermaßen Souverän und üben gemeinsam die Staatsgewalt aus. Schöne Berge haben sie auch.

Steil nach oben
Zum Ausgangspunkt der Tour führt ein windungsreiches, sehr schmales Bergsträßchen. Von dort geht es anfangs moderat, dann immer steiler bergan. Angesichts der hochaufragenden Wände frage ich mich, wie diese steilen Flanken durch einen Weg erschlossen werden konnten. An der steilsten Stelle führt er durch eine Kaminrinne zwischen Felsen. Eine alte Holzleiter hilft, den Grat zu erreichen. Anschließend geht es über den Südgrat recht steil, aber zügig zum Gipfelplateau des Alvier mit seinen 2345 Metern.

Ein besonderer Ort
Oben angekommen, steht sie unvermittelt vor mir: die kleine Gipfelhütte. Sie ist erkennbar alt – 1875 erbaut – und wurde vor einigen Jahren sehr behutsam renoviert. Sie ist mir auf den ersten Blick sympathisch.

Gemütlicher Gastraum
Während draußen immer wieder Wolken über den Bergkamm ziehen und es für Mitte Juli durchaus frisch hier oben ist, empfängt mich drinnen ein uriger Raum mit einem prasselnden Kaminofen. Etliche Wanderer sitzen in gemütlichen Runden um die Tische, das erste Glas Wein vor sich.

Berghütten werden im Allgemeinen immer größer, moderner und komfortabler. Dafür muss man oft hinnehmen, dass sie unpersönlichen Self-Service anbieten und man mit aufdringlich lärmender sogenannter „Volksmusik“ beschallt wird. Für Menschen wir mich, die in der Bergnatur eher Ruhe und Stille suchen, stets eine Zumutung.
Freundliches Hüttenteam
Diese Hütte ist noch so, wie ich sie mir wünsche: ursprünglich, persönlich-herzlich, gastfreundlich. Also mit viel Charme. Dafür sorgt das freundliche Hüttenteam um Bernadette, Peter und Dagmar. Mit Peter komme ich rasch ins Gespräch. Er – ein knorriger, freundlicher Typ mit angenehm ruhiger Stimme – beantwortet mir meine Fragen gerne. Mitunter muss ich allerdings nachfragen, weil das hiesige Schweizerisch in meinen Ohren beinahe wie eine Fremdsprache tönt.

Das kleine Glück
Weil die Alvierhütte auf dem Gipfel liegt, ist Wasser natürlich sehr kostbar. Und so wird Regenwasser vom Dach in der Zisterne gesammelt. Modern ist die Stromgewinnung – er wird durch Solarzellen auf dem Dach produziert. Doch traditionell ist alles, was an Speisen angeboten wird: Suppen, Brotzeiten, Kuchen und Wähen sind haus- bzw. hüttengemacht. „Wir kochen und backen ausschließlich mit einem Holzherd“, sagt er stolz. Das schmeckt man: Die Wähe, eine schweizerische Spezialität, war sehr fein! Und natürlich ist der angebotene Käse auch von nahegelegenen Alpen. Diese Hütte ist ein Glücksfall!

Gerne wieder!
Nur ungern trenne ich mich von Team und Hütte, um meine Wanderung durch die Alvierkette fortzusetzen. Die Wege sind durchweg gut markiert und auch der Gipfel ist insgesamt unschwer, weil ohne technische Schwierigkeiten erreichbar. Wegen seiner tollen 360-Grad-Aussicht auf die umliegende schweizerische und vorarlbergische Bergwelt und den tief unten schimmernden Walensee wird er gerne begangen, nach meinem Eindruck vornehmlich von Einheimischen. Mit einigen von Ihnen komme ich ins Gespräch, so Max aus dem nahe gelegenen Walenstadt, der mir viele Tipps gibt, wo ich noch unbedingt hinwandern sollte.
Mehr Infos:
Ich werde wiederkommen zum Alvier, seiner ganz besonderen Gipfelhütte und den sehr netten Leuten dort oben. Ich kann Tour und Hütte nur wärmstens empfehlen. Hier der Link: www.alvierhuette.ch.
Literatur: Mark Zahel, Glarnerland, 55 Touren mit GPS-Tracks. Rother Wanderführer, 6. Auflage 2022
2 Kommentare
Milou
So eine authentische Hütte;)
Die Crew
Das stimmt!